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Mäkipelto, Ville:Uncovering Ancient Editing. Documented Evidence of Changes in Joshua 24 and Related Texts. Berlin/Boston: De Gruyter 2018. X, 305 S. 8° = Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft 513. Hartbd. € 86,95. ISBN 978-3-11-059811-7

Krause, Joachim J.
In: Orientalistische Literaturzeitung, Jg. 115 (2020-03-01), Heft 1, S. 53-56
Online academicJournal

Mäkipelto, Ville:Uncovering Ancient Editing. Documented Evidence of Changes in Joshua 24 and Related Texts. Berlin/Boston: De Gruyter 2018. X, 305 S. 8° = Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft 513. Hartbd. € 86,95. ISBN 978-3-11-059811-7 

Mäkipelto, Ville Uncovering Ancient Editing Documented Evidence of Changes in Joshua 24 and Related Texts De Gruyter Berlin/Boston 1 305 2018 X € 86,95 978-3-11-059811-7 8° = Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft 513. Hartbd

OLZ 115-1 (2020), Altes Testament/Judentum   53 Mäkipelto, Ville: Uncovering Ancient Editing. Documen- ted Evidence of Changes in Joshua 24 and Related Texts. Berlin/Boston: De Gruyter 2018. X, 305 S.  8°  = Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft 513. Hartbd. € 86,95. ISBN 978-3-11-059811-7. Besprochen von Joachim J. Krause: Tübingen / Deutschland, E-Mail: joachim.krause@uni-tuebingen.de https://doi.org/10.1515/olzg-2020-0018 „Empirische" Ansätze der historischen Kritik oder, wie in der hier angezeigten Studie sachgemäßerweise bevorzugt formuliert wird, die konsequente Berücksichtigung von „documented evidence", muss spätestens seit einem programmatischen Sammelband, den Jeffrey Tigay 1985 herausgegeben hat,1 als wichtiges neueres Paradigma der alttestamentlichen Wissenschaft gelten. Tatsächlich lässt sich kein Grund nennen, warum etwa in Glücksfällen wie dem, dass uns mehrere Fassungen ein und desselben Textes überliefert sind,2 oder dort, wo ganze Überlieferungszusammenhänge (Bücher) in mehreren, literarisch je eigenständigen Gestalten auf uns gekommen sind,3 die kritische Arbeit am Text nicht hier – an den Texten – ansetzen sollte. Dass dies, zumal etwa in Kommentarreihen, nicht immer in gleicher Weise beachtet wird und werden kann, mag in arbeitsökonomischer Hinsicht nachvollziehbar erscheinen; von der Sache her ist es das nicht.4 Vielmehr gilt es, nicht „eine Ausgabe" des betreffenden Textes zu analysieren, sondern den Text „in seinen unterschied1 Jeffrey H. Tigay (Hg.), Empirical Models of Biblical Criticism, Philadelphia 1985. 2 Vgl. nur Ps 18 par. 2 Sam 22. 3 Das aufsehenerregendste, aber keineswegs einzige Beispiel hierfür ist und bleibt das Jeremiabuch mit seinen beiden Ausgaben, der von LXX im Verein mit 4QJerb und 4QJerd bezeugten ‚alexandrinischen' neben der masoretischen. 4 So in aller Klarheit und mit Recht etwa schon A. Graeme Auld, Studies in Joshua. Text and Literary Relations (Diss., University of Edinburgh), Edinburgh 1976, 151. 54   Altes Testament/Judentum, OLZ 115-1 (2020) lichen Ausgaben" – eine Forderung, die auch und gerade für das Buch Josua von erheblicher Bedeutung ist.5 Dass dies voraussetzt, die „Textentwicklung" (Hermann-Josef Stipp) als organisches Ganzes in den Blick zu nehmen, anstatt die diesbezüglichen Fragehinsichten (Textwachstum und Textüberlieferung) in methodischem Schematismus voneinander zu isolieren, muss an dieser Stelle nicht noch einmal diskutiert werden.6 Diese Einsichten der jüngeren Forschung haben mit Recht breite Beachtung gefunden. Insofern es sich weniger um ‚fertige' Ergebnisse handelt als vielmehr um Arbeitsprogramme, steht und fällt ihr Wert mit dem Maß konsequenter Anwendung. Darin liegt die Bedeutung des zu besprechenden Buchs von Ville Mäkipelto. Es geht auf seine Dissertation an der University of Helsinki von 2018 zurück. Betreut wurde die Arbeit von Juha Pakkala im Rahmen des Finnischen Akademie-Projekts „Changes in Sacred Texts and Traditions" bzw. der dort angesiedelten Arbeitsgruppe „Literary Criticism in the Light of Documented Evidence". Seine Hauptfrage formuliert M. wie folgt: „How has the end of the book of Joshua been edited in the light of documented evidence, and what does this tell about the ancient editorial processes that produced the Hebrew Bible?" (S. 15; im Original hervorgehoben). Der Anspruch bezieht sich also erklärtermaßen nicht allein auf Jos  24, vielmehr ergäben sich aus der Analyse „several implications for the basic methodology of biblical criticism" (S. 1). Dem entspricht die Anlage: Auf ein grundlegendes Kapitel zu den Textzeugen des Josuabuchs – hier verdient die gründliche Würdigung der sonst oft (vorschnell?) abgetanen samaritanischen Josua-Tradition besondere Hervorhebung – folgen drei Hauptkapitel, „Documented Evidence of Editing in Joshua 24" (Kap. 3), „Literary and Redaction Criticism of Joshua 24 in the Light of Documented Evidence" (Kap. 4) und schließlich „Evidence of Editorial Techniques Used by Ancient Scribes" (Kap. 5). Kap.  3 bestätigt die gut begründete Mehrheitsmeinung, der zufolge die aus dem altgriechischen Text (OG) zu rekonstruierende hebräische Vorlage eine Gestalt des Josuabuchs bezeugt, die global betrachtet älter ist als die von den Masoreten überlieferte. Zugleich bietet OG aber auch sekundäre Lesarten, was zu dem Schluss führt, dass die hebräische Vorlage von OG und Proto-MT zwar 5 S. dazu Joachim J. Krause, Exodus und Eisodus. Komposition und Theologie von Josua 1–5 (VT.S 161), Leiden/Boston 2014, 33–36 (die Zitate a.  a.  O., 34). 6 Vgl. aus methodologischer Warte Hermann-Josef Stipp, Textkritik – Literarkritik – Textentwicklung. Überlegungen zur exegetischen Aspektsystematik, EThL 66 (1990), 143–159. ab einem bestimmten Zeitpunkt separat tradiert wurden, jedoch auf eine gemeinsame Textform („common archetypal text form") zurückgehen. Dass OG diesem Archetyp aufs Ganze gesehen näher steht als MT, entbindet gerade nicht von der Aufgabe, jede variante Lesart vor Ort zu prüfen, wie M. mit Recht festhält. Ein wesentliches Ergebnis der entsprechenden Prüfungen lautet, sekundäre Lesarten in MT wiesen spezifische konzeptionelle („ideological") Tendenzen auf. So sei das „proto-MT editing" einerseits charakterisiert durch „nomistic tendencies seeking to align Josh 24 with the Pentateuch and the authority of Moses", andererseits durch „a harmonistic tendency to introduce elements to Josh 24 from the near context and other historical books", um das Josuabuch anzugleichen an die Bücher „proceeding and following it" (alle Zitate in der Zusammenfassung S. 270–271). Man mag sich fragen, wie trennscharf die zweite Tendenz von der ersten zu unterscheiden ist – und diese Frage führt auf ein tieferliegendes Problem, nämlich einen äquivoken Gebrauch des Begriffs „Nomismus". Was Alexander Rofé und andere als Nomismus bezeichnet haben7 und was M. treffend zusammenfasst als Tendenz zur Angleichung an den in Formation begriffenen Pentateuch, mit anderen Worten: als das Werk proto-kanonischer Schriftgelehrsamkeit, ist eben nicht deckungsgleich mit dem theologisch geladenen Begriff des Nomismus als einer „Theologie des Gesetzes und des ihm gemäßen Verhaltens und der Folgen von Gehorsam und Ungehorsam", wie er in dem von Rudolf Smend begründeten Ansatz vorausgesetzt wird.8 Die von M. prägnant herausgearbeiteten Beispiele belegen den einen Nomismus, er schreibt ihn aber dem anderen gut. In Auseinandersetzung mit dem gegenläufigen Trend der neueren Forschung begründet M. in Kap. 4 zunächst die Auffassung, Jos 24 könne nicht als ursprüngliche literarische Einheit angesehen werden, um dann seine eigene Sicht der Dinge vorzustellen: Jos 24 als „a gradually evolving late nomistic text", dessen Grundschicht von einem „basic commitment narrative" in V.  1–2.14–16.18b.22.28 gebildet werde (die Zitate S.  239 und 206). Diese im Gespräch mit den einschlägigen Arbeiten von Christoph Levin, Reinhard Müller, Reinhard Kratz, Uwe Becker und Erik Aurelius entwickelte Analyse bewähre sich auch und 7 S. z.  B. Alexander Rofé, The Nomistic Correction in Biblical Manuscripts and Its Occurrence in 4QSama, RdQ 14 (1989), 247–254. 8 Vgl. grundlegend Rudolf Smend, Das Gesetz und die Völker. Ein Beitrag zur deuteronomistischen Redaktionsgeschichte, in: Hans Walter Wolff (Hg.), Probleme biblischer Theologie. Gerhard von Rad zum 70.  Geburtstag, München 1971, 494–509, sowie ders., Die Entstehung des Alten Testaments (ThW 1), Stuttgart u.  a. 31984, 123 (ebd. auch das Zitat). OLZ 115-1 (2020), Altes Testament/Judentum  gerade bei komparativer Betrachtung von MT und OG, wie M. in vorbildlich transparenter Argumentation darlegt. Über das Ergebnis der Analyse ließe sich naturgemäß streiten, und was die Auswahl der literarischen Gesprächspartner angeht, wird man kaum sagen können, sie sei repräsentativ für die Forschungsliteratur insgesamt (wie M. selbst konzediert, vgl. S. 206, Anm. 162). Aber die Diskussion von M.s Arbeit darauf oder überhaupt auf das redaktionsgeschichtliche Resultat zu reduzieren, hieße, ihrer originellen Leistung nicht gerecht zu werden. Denn diese liegt weniger im redaktionsgeschichtlichen Bereich, in dem er sich erklärtermaßen auf die genannten Vorläufer stützt, als vielmehr in der konsequent komparativen Auswertung der materialen Belege und v.  a. der darauf fußenden methodologischen Grundlagenreflexion. Kap.  5 ist daher der wichtigste Teil der Arbeit. Hier werden die zuvor herausgearbeiteten „editorial processes [...] compiled, classified, and analyzed from an explanatory point of view: how (technical aspects) and why (motivations for editing) did ancient Second Temple Jewish scribes change sacred texts?" (S.  246) M. unterscheidet vier wesentliche Arbeitsweisen („editorial techniques"): Hinzufügung („addition"), Auslassung („omission"), Reformulierung („rewriting") und Umstellung („transposition"). In quantitativer Hinsicht erweist sich, wenig überraschend, die Hinzufügung als die mit deutlichem Abstand üblichste Arbeitsweise. Qualitativ kommt indes der Auslassung das größere Gewicht zu: „The theologically motivated omissions in Josh 24 reveal that intentional omissions are often connected with more comprehensive rewriting. While additions could have been made lightly on separate occasions, omissions seem to relate to editing that changes the meaning of the text." (S. 259) Mindestens so wichtig wie diese Überlegungen zur „Technik" der Auslassung selbst ist der hieb- und stichfest, eben „empirisch" geführte Nachweis, dass biblische Tradenten so arbeiteten. „It is often assumed that at a late stage the text of the Hebrew Bible was already so sacred and authoritative that nothing could be omitted. The evidence from Josh 24 counters this claim." (S. 273) Was sind also, unter dem Strich, die wichtigsten Implikationen „for the basic methodology of biblical criticism"? Drei seien besonders herausgestellt. Zunächst und grundlegend führt M. anschaulich vor Augen, dass es sich im Buch Josua ebenso wenig wie in vergleichbaren Überlieferungen rechtfertigen lässt, MT als prinzipiell privilegierten Textzeugen zu behandeln. Spitze Zungen könnten zwar einwerfen, dass man gerade in Helsinki auch nicht immer davor gefeit war, in analoger Weise OG zu bevorzugen. Das muss M. sich aber nicht vorwerfen lassen. (Allenfalls bei der Behandlung von Jos  5,4–6, dem wohl  55 wichtigsten der im Untertitel des Buches angesprochenen Seitenstücke von Jos 24, scheint noch eine entsprechende Schultradition zu Buche zu schlagen. M. will die Verse als Musterbeispiel einer Überarbeitung profilieren – der von OG bewahrten Fassung durch MT. Diese in der älteren Literatur populäre Annahme ist nach gegenwärtigem Diskussionsstand freilich nicht mehr über jeden Zweifel erhaben, um es behutsam zu formulieren.9) Zweitens überzeugt M.s differenziertes Plädoyer für die diachrone Analyse – auch und gerade, weil es wiederholt mit erfahrungsgesättigter Erinnerung an deren Hypothetik vorgetragen wird. „Since the editorial processes in documented evidence are so complex, we may assume that the earlier editorial processes were as well. Therefore, it seems that the text should not be divided into different layers too rigorously. It is often enough to describe the most likely outlines of the editorial history, keeping in mind that these reconstructions are based on lower probabilities than those based on documented evidence." (S. 243) „Even though it is vital to try to better understand scribal techniques, it cannot be assumed that scribes used them mechanically. [...] While there are scribal habits whose examination provides opportunities for constructing hypotheses about editorial history not visible in variant versions, scholars should probably refrain from building overly rigid literary and redaction critical models." (S. 274) Freilich fällt in diesem Zusammenhang auch ein bedauerlicherweise blind gebliebener Fleck der Arbeit ins Auge: Wer es heute unternimmt, die Hebräische Bibel als Produkt einer „creative scribal culture" zu erklären (so programmatisch auf S. 1), der kann nicht gut an dem Sachverhalt vorbeigehen, den David Carr auf den Begriff der mündlich-schriftlichen Bildung gebracht hat.10 Durch den Einbezug des in Carrs kulturvergleichenden Studien schlagend belegten Zusammenhangs von mündlicher und schriftlicher Textreproduktion und dessen schlechterdings zentraler Rolle in der Schreiberausbildung hätte M.s Argumentation nur gewinnen können. Drittens ist noch einmal die sorgfältige Profilierung der vier wesentlichen „editorial techniques" hervorzuheben. Angesichts der (sozusagen inhärenten) Tendenz der redaktionsgeschichtlichen Frage, von einer mehr 9 Vgl. den Forschungsbericht bei Joachim J. Krause, Das Buch Josua auf Griechisch. Jos 5,2–9 als Ausnahme, die die Regel bestätigt, JNSL 38 (2012), 23–58, und das dort dargelegte, genau gegenläufige Plädoyer für eine – angesichts der neuralgischen Thematik (Beschneidung im hellenistisch-jüdischen Kontext!) nachvollziehbare  – Überarbeitung durch den griechischen Übersetzer. 10 Vgl. David M. Carr, Writing on the Tablet of the Heart. Origins of Scripture and Literature, Oxford/New York 2005. 56   Altes Testament/Judentum, OLZ 115-1 (2020) oder weniger ausschließlich additiven Textentwicklung auszugehen („if something is deleted, it cannot be observed anymore", S.  258), dürfte sich unter diesen Arbeitsweisen die der Auslassung forschungsgeschichtlich als besonders bedeutsam erweisen. Indem M. die von seinem Lehrer Juha Pakkala prominent eingeführte Frage11 aufnimmt und anhand der material verfügbaren Zeugen für 11 Vgl. Juha Pakkala, God's Word Omitted. Omissions in the Transmission of the Hebrew Bible (FRLANT 251), Göttingen 2013. Jos 24 („documented evidence") ihre Triftigkeit aufweist, leistet er einen weiterführenden Beitrag zur Kritik nicht nur dieses Textes, sondern der biblischen Überlieferung. Fazit: Eine ausgesprochen lesenswerte und wichtige Untersuchung, die ihre Wirkung auf künftige Forschungen zu Jos 24 und darüber hinaus nicht verfehlen sollte und nicht verfehlen wird.

By Joachim J. Krause

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Titel:
Mäkipelto, Ville:Uncovering Ancient Editing. Documented Evidence of Changes in Joshua 24 and Related Texts. Berlin/Boston: De Gruyter 2018. X, 305 S. 8° = Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft 513. Hartbd. € 86,95. ISBN 978-3-11-059811-7
Autor/in / Beteiligte Person: Krause, Joachim J.
Link:
Zeitschrift: Orientalistische Literaturzeitung, Jg. 115 (2020-03-01), Heft 1, S. 53-56
Veröffentlichung: 2020
Medientyp: academicJournal
ISSN: 0030-5383 (print)
DOI: 10.1515/olzg-2020-0018
Sonstiges:
  • Nachgewiesen in: DACH Information
  • Sprachen: English
  • Document Type: Article
  • Author Affiliations: 1 = Tübingen, Deutschland

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